Nur eine Ohrfeige?

Spannendes Gesellschaftsbild: Als literarisches Ereignis in der angophonen Welt ein Welterfolg und mit Preisen überhäuft.

Die Gäste in Hectors Haus, Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, treffen sich zum Barbecue: Ein Vorfall, mit dem keiner rechnet, verändert das Leben aller Zeugen. Hectors Cousin Harry verpasst dem 4 jährigen Hugo eine Ohrfeige, als dieser seinen Sohn Rocco bedroht.

Rosie, Hugos Mutter, stürzt sich aus Frust über ihre unerfüllte Ehe mit dem Pseudo-Künstler und Alkoholiker Gary in einem aussichtlosen wie fanatischen Kampf nach Gerechtigkeit für ihr Kind, das mit 4 Jahren immer noch an ihrer Brust hängt. In ihrer verzweifelten Suche nach Verbündeten gefährdet sie Familie und Existenz ihrer Freundinnen, die sie auf ihre Seite zieht. Selbst Anouk, die nach diesem Vorfall ihr Kind abtreibt, der schwule, kurz vor seinem Coming Out stehende Richie und die in Hector verliebt Connie pendeln zwischen Solidarität und Abwehr.

Dieser Vorfall stellt Werte wie Familie, Freundschaft, Liebe, Sex, Ehe, Erziehung in Frage und artet einen kontinuierlich erzählten Ruten- Stafetten- und Amoklauf aus. Die 8 Zeugen (4 Frauen + 4 Männer) geben dem Roman als Kapitel die Struktur.

Die Männer, starke Testosteron-Gesteuerte Figuren, sind zwar keine Sympathie-Träger aber in ihrer Ambivalenz und Vielseitigkeit komplexe wie gelungene literarische Figuren. Sexszenen aus männlicher Perspektive sind in dieser kraftvollen Souveränität und Intensität Seltenheit in der heutigen Literatur. Aber auch die Frauen sind alles andere als Heldinnen, für die Leser Partei ergreifen werden.

Rosies Versuch, Harry als brutalen Schläger hinzustellen, endet für sie mit einem existentiellen Desaster. Da hilft keine Unterstützung durch eine engagierte Feministin, die als Anwältin durch ihre Inkompetenz die Realität falsch einschätzt. Harrys Frau ist am Ende erneut schwanger, eine weitere Schlag für die junge Frau, die ihr eigenes Leben mit übertriebenem Mutterinstinkt in den Griff zu bekommen sucht.

Christos Tsiolkas trifft mit seinem Roman über zu Wohlstand und Ansehen gelangte Vierzigjährige aus Einwanderer-Familien einen neuralgischen Punkt unserer Zeit. Die direkte deftige, tabulose, für manche vulgäre Sprache spaltet die Kritiker. Betrug, Gewalt, Sex, Drogen, Glamour, Scheinwelten werden ebenso gnadenlos enthüllt wie Lebenslügen, Scheinmoral, Pseudo-Toleranz. Ein authentisch lebendiges, unterhaltsam spannendes Porträt einer Mitteschicht, die peinlich darauf bedacht ist, ethnische und soziale Unterschiede zu Verschwinden zu bringen. Ganz normale Familien: Ordinary People!

Romane von Christos Tsiolkas (Auswahl):
• Loaded (1995), unter dem Titel Head On verfilmt
• The Jesus Man (1999)
• The Devil’s Playground (2002)
• Dead Europe (2005)
• The Slap (2008) – Nur eine Ohrfeige

Literaturhaus Salzburg:

20.00 Uhr:  Lesung Veranstalter: Verein Literaturhaus, HOSI Salzburg
Moderation: Peter Jobst. Deutsche Lesung: Peter Arp

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