OUT in der Schule –

Österreichische Erststudie zeigt ein besorgniserregendes Bild über die Situation homosexueller SchülerInnen:

Die Suizidversuchsrate ist um das Sechsfache erhöht; die Situation als Homosexueller in der Schule für fast die Hälfte mit ein Grund.
Lehrkräfte, SchulpsychologInnen und SchulärztInnen stehen als Ansprechpersonen an letzter Stelle.
Die Lehrkräfte werden zum überwiegenden Teil als wenig bis gar nicht kompetent eingestuft.
Konsequenzen sind dringend notwendig!

Im August 2005 beantwortete Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer eine parlamentarische Anfrage betreffend „Homosexualität in der Schule“.

Unter anderem hielt Ministerin Gehrer fest, dass „die homo-, bi- und transsexuelle Lebensweise […] im Rahmen der Sexualerziehung den Lehrplänen entsprechend thematisiert“ wird. Bei Problemen seien SchulpsychologInnen und SchulärztInnen erste Ansprechpersonen. In der LehrerInnenaus-, -fort- und –weiterbildung würden die LehrerInnen zur Umsetzung der jeweiligen Lehrpläne befähigt und die Sexualerziehung berücksichtigt. Auf das Thema „Homosexualität“ würde im Biologieunterricht der Hauptschule sowie der AHS-Unter- als auch Oberstufe eingegangen.

Aus der täglichen Arbeit und Beratungspraxis, durch Vorträge und Workshops an Schulen in Salzburg sowie durch persönliche Erfahrungsberichte gewannen die Studienautoren jedoch den Eindruck, dass die Situation eine ganz andere ist.

Der Begriff „Homosexualität“ oder ähnliche zum Themenkreis gehörige Begriffe, wie „gleichgeschlechtlich“, „schwul“, „lesbisch“, „bisexuell“, „transsexuell“, etc. finden sich in keinem Lehrplan der österreichischen Schulen.

Zur Studie:

Ein im Internet veröffentlichter Fragebogen wurde von 468 schwulen (90%) und bisexuellen (10%) Männern ausgefüllt. Die Ergebnisse zeichnen ein äußerst besorgniserregendes Bild:

· Die Schulzeit ist die Zeit des Coming out für einen Großteil der homosexuellen Menschen. Welche Isolation homosexuelle SchülerInnen in dieser Zeit erleben, zeigt sich durch den Umstand, dass nur ein Drittel der Befragten in der Schulzeit geoutet war, obwohl ihnen ihre sexuelle Orientierung zum Großteil bewusst war.

· Ca. 50% der als schwul geouteten Schüler erfuhren in der Schule Diskriminierungen wegen ihrer sexuellen Orientierung. Doch auch rund ein Viertel jener schwulen Schüler, die nicht geoutet waren, wurden als Schwule diskriminiert.

· Hilfe von Seiten der Lehrkräfte haben die wenigsten erfahren. Nur 16% der Teilnehmer berichteten, dass Lehrkräfte im Falle von Diskriminierungen interveniert hätten, wobei es keinen Unterschied machte, ob sich Diskriminierungen gegen eine bestimmte Person richteten oder allgemein von Statten gingen.

· Die Suizidversuchsrate unter den Studienteilnehmern ist mit 17% (gegenüber 2,5% in der Gesamtbevölkerung) sehr hoch. Auf die Frage „Hast du den Selbstmordversuch gemacht, weil du wegen deiner Homosexualität in der Schule so viel mitgemacht hast?“ antwortete fast die Hälfte, dass dies zumindest mit ein Grund dafür war, aus dem Leben scheiden zu wollen.

· Informationen zum Thema „Homo- und Bisexualität“ erhielten die meisten Teilnehmer während der Schulzeit nicht von der Schule, sondern aus Medien, durch eigene Erfahrungen oder von Freunden. Die Schule rangiert dabei fast an letzter Stelle, wobei jenes Drittel, welches angab, dass das Thema im Unterricht zur Sprache kam, auch nur zu einem Fünftel wirklich brauchbare Informationen erhielt.

· Dementsprechend auch die Einschätzung der Kompetenz der Lehrkräfte: 70% jener Teilnehmer, welche überhaupt im Unterricht etwas über Homo- und Bisexualität gehört hatten, beurteilten die Lehrkräfte als gar nicht oder weniger kompetent. Nur 5 % als voll und ganz kompetent.

· Dabei halten es mehr als zwei Drittel der Befragten für unerlässlich, dass Homo- und Bisexualität im Unterricht thematisiert wird.

· Die von Unterrichtsministerin Gehrer aufgelisteten Ansprechpersonen (SchulärztInnen, SchulpsychologInnen, Lehrkräfte) rangieren für die schwulen Schüler auf den hinteren Plätzen: nur drei Prozent der Gesamtstichprobe gaben diesen Personenkreis als potentielle Ansprechpersonen an.

Auch positive Faktoren wurden in der Studie erhoben:

Das Wohlbefinden homosexueller Schüler (insgesamt ca. 60.000 bis 120.000 in Österreich) ist signifikant besser, wenn:

· es jemanden (vor allem LehrerInnen) gab, mit dem sie über Homo- und Bisexualität reden konnten

· es offen homosexuelle lebende LehrerInnen an der Schule gab

· LehrerInnen gegen schwulenfeindliche Diskriminierungen intervenierten

· Broschüren zum Thema in der Schule auflagen

· Bücher zum Thema in der Schulbibliothek verfügbar waren

· Homo- und Bisexualität im Unterricht thematisiert wurden

Diese Faktoren hängen auch mit einer niedrigeren Suizidversuchsrate zusammen.

CONCLUSIO:

Das Problembewusstsein bei sämtlichen für die Schulen Verantwortlichen müsste mit dem Vorliegen dieser Studie vorhanden sein. Best-practice-Modelle sind aus vielen Ländern bekannt und für Österreich umlegbar.

· Die Begriffe „Homo-„ und „Bisexualität“ gehören in sämtliche Lehrpläne der Österreichischen Schulen einbezogen.

· In der LehrerInnenaus-, -fort- und –weiterbildung sind entsprechende Seminare vorzusehen.

· An den Schulen müssen Informationsmaterialien (Folder, Broschüren, etc.) aufliegen.

· Für den Umgang mit Diskriminierungen müssen klare Handlungsrichtlinien vorliegen.

· Für homosexuelle LehrerInnen (5000 bis 10.000 in Österreich) muss der offene und unmissverständliche Rückhalt seitens der Schulaufsicht bestehen.

Es liegt nun an den verantwortlichen SchulpolitikerInnen und den Organen der Schulaufsicht, dafür zu sorgen, dass in die Wege geleitet wird, was die vorherrschende Situation verbessern kann. In Salzburg sind das Landeshauptfrau Gabi Burgstaller als ressortzuständiges Mitglied der Landesregierung und der amtsführende Präsident des Landesschulrates Mag. Herbert Gimpl.

Die HOSI Salzburg ist in der Sache durch langjährige Arbeit in der Thematik kompetent und nimmt diesen Auftrag gerne an, sofern er von den Verantwortlichen erteilt und mit den nötigen Rahmenbedingungen ausgestattet wird.

Werden die Verantwortlichen jetzt nicht initiativ, bedeutet dies das Akzeptieren und Ignorieren von 17% der homosexuellen Menschen in Österreich – und natürlich auch in Salzburg – , von denen sich die Hälfte auch wegen ihrer Situation als Homosexuelle in der Schule versuchen, das Leben zu nehmen.

Die gesamte Studie (PDF, 1MB) zum Download

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