Ab 5.8. im Kino: „VOLVER“ von Pedro Almodóvar

Sein jüngster Film ist eine Rückkehr in mehrfacher Hinsicht. Mit Volver kehrt der Regisseur zu den Orten seiner Kindheit zurück. Überdrehte und schrille Frauen am Rande einer Nervenkrise waren immer sein Markenzeichen. Der in Calatrava, Ciudad Real geborene und in der Estremadura aufgewachsene Mann von La Mancha ist Liebling der Móvida in Madrid. Heute arbeitet er hinter der Kamera mit einem hochprofessionellen Team:

Kameramann José Luis Alcaine und Komponist Alberto Iglesias sind die besten ihres Faches. Bruder Augustin und Esther García produzieren Pedros Filme: Seine Firma El Deseo schafft für ihn absoluten künstlerischen Freiraum. In der internationalen Filmszene ist deshalb Almodóvar heute ein Phänomen: Er dreht sehr persönliche Meisterwerke ohne Rücksicht auf Zeitgeist oder Political Correctness. Das gibt diesem ungeheuer authentischen Filmemacher auch einzigartige künstlerische Autorität.

 

Intensiven Zuhörens als Element einer schwulen „Éducation Sentimentale“ hat Colm Toìbin in seinem Essay über Almodóvar in dem Band „Love in a Darker Time“ brillant herausgearbeitet. Als Kind war er beobachtender Komplize der Frauen seiner Umgebung. Ihr Einfluss wird später von der Erziehung durch Padres in kirchlichen Internaten abgelöst. Filme wie MALA EDUCACIÓN oder VOLVER sind auch Auseinandersetzung und Versöhnung mit seinen Wurzeln. In Volver wird er Sprachrohr dieser oft stummen Frauen von La Mancha, deren Redefluss nicht aufhört, wenn die Männer unsichtbar sind.

 

In VOLVER erzählt eine nur scheinbar verworrene Geschichte mit vielen Zeit- und Handlungsebenen mit entwaffnender Klarheit. Lebensklugheit, Solidarität, Aberglauben, Religion und Spiritualität geben diese Frauen Vitalität und Kraft zum Überleben. Die ängstliche Sole pflegt jahrelang ihre kranke Tante. Die attraktive Raimunda (Cruz), die auf dem Madrider Flughafen als Putzfrau arbeitet, findet ihren Ehemann tot in der Küche vor. Um ihre Tochter zu schützen, die ihren Vater in Notwehr getötet hat, „entsorgt“ sie die Leiche in der  Tiefkühltruhe des benachbarten Restaurants, das sie ganz nebenbei zur Attraktion für Touristen macht, als sie für ein Filmteam zu kochen beginnt. Plötzlich taucht ihre verstorben geglaubte Mutter Irene (Maura) auf. Irene arbeitet in Soles illegal betriebenen Friseursalon. Wie ein Geist bleibt sie für die restliche Welt stumm und unsichtbar. Als sie ihr Schweigen bricht, öffnet sich eine gefährliche Büchse der Pandora: Lügen, Geheimnisse und Verbrechen werden offenbar…

 

Pedro filmisches Denkmal an die Frauen seiner Kindheit wird mit Preisen überhäuft. Penélope Cruz, Carmen Maura, Chus Lampreave und Lola Dueñas erhalten als Ensemble den Preis für die beste weibliche Hauptrolle. Dass dem Film die goldene Palme in Cannes vorenthalten wird, ist möglicherweise ein späte Strafe gestrenger Jurorinnen wie Helena Bonham-Carter für Penelope Cruz: Man hat ihr die amerikanische Komödie mit Tom Cruise nicht verziehen.

 

Pedro Almodóvar ist zur schlichten und direkten Ästhetik früherer Filme zurückgekehrt. In diesem Melodram werden Themen wie Gier, Mord, Krankheit Tod und Eifersucht heiter, leicht wie virtuos verknüpft. Penelope Cruz feiert ein glänzendes Come-Back im spanischen Film. Sie spielt in dieser ungewöhnlichen Mutterfigur die wohl beste Rolle ihrer Karriere, eine Diva wie sie das Kino seit Gina Lollobrigida nicht mehr gesehen hat. Eine Nominierung für einen Oscar im kommenden Jahr hat sie allemal verdient.

Peter Jobst

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